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Artikel

Perspektiven aus dem Pazifik

Hier bewahren sie die Dinge von Fiji auf

Von ihrer ersten Begegnung als Achtjährige mit der Ausstellung „Fidschianische Waffen“ in einem europäischen Museum bis hin zur heutigen Erkundung von „fidschianischen Dingen“ über die Plattform digitalpasifik.org. In diesem anschaulichen Essay erforscht die Dichterin Natasha Ratuva die Wahl der Masi als Objekt ihrer Verbundenheit und die Ermächtigung, die mit der Neuinterpretation von Bildern einhergeht.

Sie erzählt ihre Vision für eine indigene Zukunft von Befreiung und Souveränität. Natasha Ratuva lehnt die Vorstellung ab, dass ihre Kultur in Kategorien archiviert ist, sie ist vielmehr ein Ökosystem aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Meine Mutter legt ihre Hand fest um meine, während sie mich zielstrebig durch die dichte Menschentraube in einem europäischen Museum führt. Meine Ohren werden von einer Kakophonie aus fremden Sprachen eingehüllt. Ich fühle mich klein und fehl am Platz, während wir an kalten weißen Wänden vorbeigleiten und der Steinboden unsere Schritte schluckt, als gehörten sie nicht hierher. Wir kommen abrupt zum Stehen. Vor uns liegt ein Tor mit Portalen in ferne Vergangenheiten, „The Pacific Collections“.

Der Raum ist isoliert, seelenlos, ein Lagerraum imperialer Eroberungen, der Staub ansammelt. Gedämpftes Licht enthüllt kaum seinen Inhalt. Es dauert einen Moment, bis sich meine Augen von der Helligkeit draußen erholt haben. Als ich wieder sehen kann, löst meine Mutter ihren Griff und flüstert mir ins Ohr: „Hier bewahren sie die Dinge von Fiji auf“.

Unser Spiegelbild verschmilzt in einer Vitrine mit der Aufschrift „Fijian Weaponry“. Zwischen zwei Totokia-Waffen hängt eine iTuki-Keule. Mein Gesicht errötet vor vertrauter Wärme, und meine Mutter kommt an meine Seite – wir beide kannten hautnah diese Formen und Schnitzereien von unserer Inselheimat Fiji, und doch fühlten wir uns auf seltsame Weise, als wären wir zu Hause, aber ohne dass wir die Schlüssel haben, um einzutreten. Ich nahm ein weiteres Exponat von „fidschianischen Waffen“ zur Kenntnis – ein übergriffige Darstellung, die uns als wild, kriegerisch und kannibalisch darstellt. Das Etikett enthielt keinerlei Informationen über ein Herkunftsdorf oder den Hersteller. Darauf stand einfach „Fidschi, erworben in den 1800er Jahren“. Als 8-Jährige konnte ich das beklemmende Gefühl nicht in Worte fassen, das ich empfand, als ich unsere Kultur auf diese Weise dargestellt sah. Aber ich wusste damals wie heute, dass es falsch ist.

Es ist 2021, und meine Familie und ich stehen im unterirdischen Lager des Te Papa Tongarewa, des neuseeländischen Nationalmuseums, und werden von einigen der angesehensten und sachkundigsten Pasifika-Kuratoren und -Forscher des Landes begrüßt. Wir sind hier, um seltene Masi-Stücke aus den 1800er Jahren anzuschauen, die von der Heimatinsel meiner Mutter stammen.

Der Lagerraum scheint riesig zu sein, doch ich habe das Gefühl zu ersticken. Jeder Quadratmeter ist bis zum Rand mit Tausenden, vielleicht Millionen von Gegenständen aus dem pazifischen Raum gefüllt. Ich stelle mir vor, wie zahllose Geschichten der Vorfahren unter zartem weißem Verpackungsmaterial ertrinken – in der Zeit schwebend, in den Schlummer gezwungen. Meine Gedanken werden plötzlich von der Stimme eines der Kuratoren unterbrochen: „Zu den Masi-Stücken hier entlang“.

Mit makellosen weißen Handschuhen rollen zwei der Kuratoren vorsichtig die riesigen Masi-Stücke aus. Das tiefe Schwarz des Vanuas verankert sich vor uns in fehlerlosen Mustern und spektakulären Kompositionen. Rote Naturfarbstoffe tränken die Fasern mit höchster Präzision. Reihen um Reihen von Mustern, die sich wiederholen, sprechen zu uns wie vertraute Verwandte. Ich halte mich zurück, eine Ecke zu ergreifen und die Masi in die Arme zu nehmen, um sie wieder mit ihrem Volk zu vereinen. Stattdessen beuge ich mich leise vor und flüstere meiner Mutter zu: „Hier bewahren sie die Dinge von Fiji auf“.

Erst letztes Jahr bin ich statt in kalte unterirdische Lager in den Abgrund der von Museen veröffentlichten Online-Sammlungen gestürzt. Ich scrollte endlos durch die Suchergebnisse der Fiji-Inseln und stieß auf kostbare Zeremonialgegenstände wie Tabua und Masi, die in einem ausufernden System der „Bewahrung“ auf eine Inventarnummer reduziert wurden. Ihre Herkunft ist unbekannt, ihr Hersteller ist unbekannt, ihre Verwendung ist unbekannt, ihre Geschichte ist unbekannt. Doch dann lernte ich Digital Pasifik kennen, eine Website, die pazifische Gegenstände und Aufzeichnungen aus Museumssammlungen in der ganzen Welt zusammengetragen hat. Ihr Ziel ist es, die Menschen in der Pazifiregion mit ihrer eigenen Kultur in Verbindung zu bringen und andersherum. Unter jedem Eintrag gibt es Felder, in die Benutzer*innen schreiben können, was sie darüber wissen – sie können ihre Geschichten in den Lebenszyklus des jeweiligen Objekts einflechten. Das war so sinnvoll und auch eine Form des Widerstands und ein Tor zur erneuten Verbindung. 

Ich hatte die Möglichkeit, etwas aus diesen Sammlungen auszuwählen und in kreativer Weise darauf zu reagieren. Ohne zu zögern wählte ich drei Masi-Stücke. Aus einer scheinbar völlig fremden Welt näherte ich mich ihnen, hielt sie liebevoll in Gedichtform fest und malte gleichzeitig auf frisches weißes Masi. Ich umgab sie mit ihrer Muttersprache, erinnerte sie an die warme Sonne Fijis, die sie einst kannten, und malte ihre Markierungen neu, damit sie außerhalb dieser Sammlungsenge weiterleben konnten. Ich war traurig, ich wünschte, sie müssten nicht so weit von zu Hause weg sein. „Hier bewahren sie die Dinge von Fiji auf“, sagte ich zu mir selbst, nachdem ich meinen Tab auf Google Chrome geschlossen hatte. 

Meine Vision einer indigenen Zukunft hat keine Angst vor dem Ende des Museums und seiner Begrenzungen. Es ist eine Zukunft der Befreiung und der Souveränität der Geschichten. Diese Vision prangert die Art und Weise an, wie Museen an der Auslöschung indigener Völker beteiligt sind. Sie bestimmen unseren Platz in der Zeit, als ob wir ausschließlich der „Vergangenheit“ angehörten. Unsere Zeitlichkeit wird systematisch durch obskure Formen des Sammelns und „Bewahrens“ bestätigt, als ob wir gerettet werden müssten. In Wirklichkeit existieren wir in einem ausgedehnten Netzwerk lebender, atmender Ökosysteme, die gleichzeitig mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft verbunden sind. Wir können nicht in einzelne Teile kategorisiert oder archiviert werden. 

Fiji besteht nicht nur aus Waffen, wir Taukei sind ein ganzer Kosmos komplexer, reicher Geschichten und verwandtschaftlicher Bindungen. Und doch befinde ich mich hier im digitalen Äther und nutze dieselben unterdrückenden Bewahrungssysteme, um vermeintliche Versionen meiner selbst zu finden, damit ich eine finden kann, die ich als wahr anerkennen mag. Die Verbindung zu meinem kulturellen Erbe durch Online-Sammlungen ist ein bizarres Paradoxon aus Rückgewinnung und der Begegnung mit Kolonialität. Auf der einen Seite erfreue ich mich an den Bildern von unglaublichen, seltenen Masi, die den Erfindungsreichtum und die Kreativität unserer Frauen veranschaulichen. Ich fühle mich inspiriert und ermächtigt, unsere visuellen Sprachen auf neue Weise zu interpretieren. Wenn ich aber auf den benachbarten Tab klicke, bin ich frustriert über die fehlende Herkunft, die Respektlosigkeit und die mangelnde kulturelle Sorgfalt, mit der unsere wertvollsten zeremoniellen Gegenstände wie zum Beispiel Walzähne behandelt werden. Ich hoffe auf eine Zukunft, in der unser Erbe sicher in unseren Händen liegt, in der wir unsere Geschichten selbst erzählen. Eine Zukunft, in der meine Tochter inmitten ihres Volkes ist, auf dem Land ihrer Vorfahren, und wo sie weiß: hier sind die Dinge von Fiji aufbewahrt.