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Perspektiven aus dem Pazifik

Fa’afafine – Samoas drittes Geschlecht

Fa'afafine von Samoa gelten als die weltweit am genauesten untersuchte genderdifferenzierte Gemeinschaft im pazifischen Raum. Sie werden als Teil der kulturellen Identität angesehen, ebenso wie ihre Rolle in Familien, Dörfern und der Gesamtgesellschaft, aber sie sind immer noch Gewalt und weit verbreiteter Diskriminierung ausgesetzt. In dieser Geschichte tauchen wir tief in das Verständnis der Fa'afafine ein, ihre Geschichte, Missverständnisse, Herausforderungen und was es bedeutet, das dritte Geschlecht zu sein.

„Kandidatin NUMMER DREI!!!“, erklang eine blecherne Stimme aus den Lautsprechern in der völlig überhitzten Gewichtheberhalle, wo ich mir wie das ganze Publikum furios Luft zufächelte.

Ich hörte Japsen und Gelächter um mich herum, als eine gigantische schwarze Stoffmenge wie eine Riesenwelle hereinströmte, in deren Zentrum eine Fa’afafine auf Stelzen auftauchte. Dank der ungeheuer hohen Stelzen stieß ihr Kopf fast an die Decke. Der Stoff nahm nun die Form von acht Tentakeln an, unterfüttert durch violette und schwarze Ballons, die von Helfern hochgehalten wurden. Während die Stimme den Oktopus beschrieb, an den das Outfit erinnerte, stießen die kreativen Kostümtentakel von Nummer Drei, die sich wie im Meer auf- und ab bewegten, Glitzerkonfetti aus. Der Glitter reflektierte das Licht der Scheinwerfer, während sie sich mit ihrem Oktopus langsam über die Bühne schlängelte.

Und weil Fa’afafine nicht in die binäre Genderordnung passen und seit Jahrzehnten in den samoanischen Communities sichtbar sind, sind die Fa’afafine von Samoa vielleicht die weltweit am genauesten untersuchte genderdifferenzierte Gemeinschaft im pazifischen Raum.

Ich bin beim alljährlichen Miss Samoa Fa’afafine Festival, das in unserer Gewichtheberhalle in Apia stattfindet. Es ist Dezember, der Monat mit der größten tropischen Hitze und Luftfeuchtigkeit, und es gibt keine Klimaanlage. Zu Tausenden drängen wir uns in der Halle, wir schwitzen wie verrückt und genießen einen Abend mit einem unglaublichen Unterhaltungsprogramm, gewagten Aufführungen und kreativen Interpretationen von Samoas natürlicher Umgebung in Form der Fa’afa-fabelhaften Fashion.

In Samoa wie im Leben der Fa’afafine spielen Schönheitswettbewerbe eine große Rolle. Die Fa’afafine können hier nicht nur Talente, Kreativität, Humor und ihre Entertainmentbegabung ausleben, sie sammeln auch die meisten Spenden für die 2006 gegründete Samoa Fa’afafine Association, die sich für Rechte und Würde der Fa’afafine auf meinen Heimatinseln einsetzt. Das jährliche Miss Samoa Fa’afafine Festival, nicht zu verwechseln mit dem jährlichen Miss Samoa Festival für cisgender Frauen, ist die finanzielle Lebensader der Organisation und deren Engagement.

People on a stage in a beauty contest
Coypright: Vlad Sokhin/laif

Fa’afafine bedeutet auf Samoanisch etwa „in der Art einer Frau“. Und weil Fa’afafine nicht in die binäre Genderordnung passen und seit Jahrzehnten in den samoanischen Communities sichtbar sind, sind die Fa’afafine von Samoa vielleicht die weltweit am genauesten untersuchte genderdifferenzierte Gemeinschaft im pazifischen Raum.

In Samoa bildet die Familie das Rückgrat unserer Gesellschaft. Im Zentrum unseres indigenen politischen Systems stehen Familienclans, Dorfclans und die Möglichkeit, die eigene Abstammung auf einen der vier übergeordneten Titel zurückzuführen. Während Samoa heute seine eigene Version einer Westminster-Demokratie hat, dreht sich unsere gesamte Gesellschaft und Kultur auch weiter um die zentralen familiären Bande.

Seit vielen Jahren vertritt die Samoa Fa’afafine Association den Standpunkt, dass es sich bei Fa’afafine um eine kulturelle Identität handelt, ausgehend von der Prämisse, dass Fa’afafine in samoanischen Familien, Dörfern und größeren Kreisen der Gesellschaft kulturell von großer Bedeutung sind. Allerdings stoßen wir auf den Widerspruch, dass Fa’afafine zwar ebenso typisch für Samoa sind wie Taro [eine tropische Knollenfrucht, Anm. d. Übers.], dass sie aber ständig mit massiver sexueller Gewalt und gesamtgesellschaftlicher Diskriminierung zu kämpfen haben.

[Nach Ansicht einiger samoanischer Kommentatoren] bedeutet die kulturelle Rolle von Fa’afafine, dass wir schon immer unseren Platz hatten, und dass es falsch ist, die Sichtbarkeit von Fa’afafine von globalen Bewegungen herzuleiten.

In der Fachwelt half Paul Vaseys Grundlagenwerk aus einer westlichen akademischen Perspektive, Fa’afafine als ein drittes Geschlecht zu interpretieren. Seiner Arbeit zufolge bezieht unsere soziale Funktion als Fa’afafine in samoanischen Familien sich auf unsere Fähigkeit, unsere Familien zu unterstützen, indem unsere Ressourcen an unsere Nichten und Neffen und die weitere Familie umgeleitet werden, vermutlich, um an die Stelle von eigenen Kindern zu treten. Hier wäre sogar eine genetische Erklärung denkbar – Diversität des Genoms –, die die Existenz von Fa’afafine in Samoa begründen könnte, würde man sie in diesem Kontext begreifen.

Person sitting on a tree, smoking
Vlad Sokhin/laif

Andere westliche Forscher sehen Fa’afafine im Licht des Transvestitismus – oder Transgender, nicht genau gleich, aber doch ziemlich ähnlich, – und damit durch das Prisma von Geschlecht und Genderbinarität (Transgression), wie sie innerhalb ihrer eigenen Forschungstraditionen definiert wird. Einige Forscher sind sogar der Meinung, dass Fa’afafine erst nach dem Zweiten Weltkrieg in der samoanischen Kultur und Gesellschaft an Bedeutung zunahm, als Samoa Teil einer globalisierten Welt wurde und damit unter den Einfluss westlicher Medien und Darstellungen von Queerness kam.

Samoanische Kommentatoren dagegen wenden sich häufig gegen dieses Framing und sprechen von Fa’afafine in einem kulturellen Zusammenhang, demzufolge es Fa’afafine in der samoanischen Gesellschaft bereits seit Menschengedenken gibt. Ihrer Ansicht nach bedeutet die kulturelle Rolle von Fa’afafine, dass wir schon immer unseren Platz hatten, und dass es falsch ist, die Sichtbarkeit von Fa’afafine von globalen Bewegungen herzuleiten.

Denn während Fa’afafine einen Platz in der Kultur beanspruchen können, sind schwule Männer und lesbische Frauen wesentlich weniger sichtbar und akzeptiert.

Westliche Forscher wie etwa Lee Wallace halten das für ein kulturrelativistisches Konzept. Ihrer Meinung nach trennt diese starke Betonung der kulturellen Rolle von Fa’afafine unsere Erfahrung von Homosexualität und den damit verbundenen Erfahrungen von Homo- und Transphobie. Mit anderen Worten: Wenn wir uns von Begriffen wie queer und homosexuell distanzieren, laufen wir Gefahr, den Einfluss zu übersehen, den Trans- und Homophobie auf unsere gelebte Erfahrung als Fa’afafine und andere queere Menschen haben, die den Begriff in unserem Land vielleicht gar nicht benutzen. Denn während Fa’afafine einen Platz in der Kultur beanspruchen können, sind schwule Männer und lesbische Frauen wesentlich weniger sichtbar und akzeptiert.

Wallace veröffentlichte seine Beobachtungen in den 1990ern, da sie die daraus resultierenden Schwierigkeiten der Sensibilisierung beispielsweise für HIV zeigten, weil die Krankheit seinerzeit fälschlich mit Homosexualität gleichgesetzt und entsprechend hartnäckig stigmatisiert wurde. Und in mancher Hinsicht kann die kulturelle Rolle, der kulturelle Raum, für Fa’afafine unbeabsichtigt dazu führen, dass die homophobe Sicht, HIV sei eine Homosexuellenkrankheit, noch verstärkt wird, besonders wenn manche Fa’afafine ihre sexuellen Handlungen nicht als homosexuell beschreiben, um nicht mit der Krankheit in Verbindung gebracht zu werden.

Ich glaube zwar, dass Fa’afafine in der samoanischen Gesellschaft und Kultur eine bestimmte Rolle verkörpern, nicht aber, dass uns die Gewalt verschont, auf die die Genderbinarität treffen kann, weil wir ein drittes Geschlecht sind und durch unseren kulturellen Stand geschützt werden.

Während Wallace im Rahmen einer kaum verhüllten Tirade gegen den Dokumentarfilm Queens of Samoa, in dem sich viele samoanische Fa’afafine zu ihren kulturellen Rollen äußerten, zahlreiche Spitzen losließ, und während seine Kritik teilweise als kolonialistische Perspektive gewertet wurde, denke ich, dass er in Vielem Recht hat. Wenn Fa’afafine in die samoanische Kultur irgendwie als „drittes Geschlecht“ eingefügt werden, wie können wir dann konservative Ansichten zu Familie und Sexualität aufbrechen, sind wir doch einfach nur Teil der samoanischen Möblierung? Um es anders auszudrücken – was ist störend daran, ein dritter Punkt an einem Gendersystem mit vorgeschriebenen Normen und Erwartungen an jedem Ende zu sein?

Ich als Fa’afafine stehe irgendwo dazwischen. Ich glaube zwar, dass Fa’afafine in der samoanischen Gesellschaft und Kultur eine bestimmte Rolle verkörpern, nicht aber, dass uns die Gewalt verschont, auf die die Genderbinarität treffen kann, weil wir ein drittes Geschlecht sind und durch unseren kulturellen Stand geschützt werden. Außerdem müssen wir unsere festgelegte Rolle weiter erforschen. Meiner Ansicht nach betrachten viele Menschen Fa’afafine als reine Entertainer und reduzieren uns auf Serviceaufgaben für unsere Gesellschaft.

Es ist beispielsweise Usus, dass eine Generation nach der Geburt einer Fa’afafine von ihr erwartet, sich um ihre alternden Eltern zu kümmern, da sie wahrscheinlich nicht heiraten und eine eigene Familie gründen wird. Und ja – während die Familie für uns Samoaner alles ist und es als Ehre gilt, für die Eltern in ihren letzten Lebensjahren zu sorgen, muss ich doch fragen: Gibt eine derartige festgelegte Rolle Kraft, oder schränkt diese kulturelle und gesellschaftliche Erwartung uns nicht vielmehr ein?

Person, die sich an den Rücken einer anderen Person lehnt
Copyright: Vlad Sokhin/laif

Aus diesem Grund glaube ich, dass die wörtliche Übersetzung von Fa’afafine als „in der Art einer Frau“ oder „wie eine Frau“ nicht genügt, um die Fülle und die Herausforderungen des Fa’afafine-Lebens in Samoa zu erfassen. Auch wird diese Beschreibung der transnationalen Natur der Fa’afafine-Existenz nicht gerecht, wie sie mit der samoanischen Mobilität einhergeht, die die samoanische Nation in nahezu jeden Winkel des Globus geschickt hat. Mit anderen Worten: Meiner Meinung nach ist die Zeit reif, dass Fa’afafine diese Definition erweitern und so konzipieren, dass sie in der samoanischen Art des Wissens und des Seins verwurzelt sind, dabei aber auch unsere Wünsche ebenso einbezieht wie unsere Teilhabe am globalen Gespräch rund um Queerness, Forschung und Engagement.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Fa’afafine in Samoa von beinahe jedem anerkannt werden. Ich sage beinahe, weil konservative Kräfte in den tief religiösen christlichen Institutionen seit Jahrzehnten gegen unsere Existenz anfechten. Und während diese Opposition in jüngster Zeit ständig gewachsen ist, feiert man uns für unsere vielfältigen Talente, die Leichtigkeit, die wir mit unseren oft extravertierten Persönlichkeiten in die sozialen Interaktionen bringen, und unsere Neigung, den in Samoa hoch angesehenen Wert des tautua oder Dienstes, zu praktizieren. Die samoanische Redensart o le ala i le pule o le tautua wird uns schon in der Kindheit eingehämmert. Zur Führung kommt man durch den Dienst. Alle Samoaner sollen dienen, allerdings tragen Frauen und Fa’afafine in vielen Familien und Communities die Hauptlast.

Damit soll die Rolle der Männer in unserer Gesellschaft nicht kleingeredet werden, denn die Geschlechterrollen sind in unserer Gesellschaft komplementär und ebenso fluid, doch unsere Existenz wird nicht immer positiv gesehen, unsere Zugehörigkeit ist nicht immer selbstverständlich. Und während viele Fa’afafine es aus eigener Kraft geschafft haben, wartet Samoa noch immer auf die erste Fa’afafine-Abgeordnete oder Leiterin einer staatlichen Behörde. Auch wenn diese im Hinblick auf die Akzeptanz von eher symbolischem Wert wären, würden sie den Gedanken, dass wir dazu gehören, doch glaubwürdiger erscheinen lassen.

Gerade in einer Zeit, in der zunehmend lautere Stimmen in Samoa Heteronormativität und ein konservatives Familienbild fordern, ist das besonders wichtig. Die London Missionary Society brachte das Christentum im Jahr 1830 nach Samoa, und bei unserer Unabhängigkeit 1962 übernahmen wir den Satz E fa’avae i le atua Samoa, Samoa ist auf Gott gegründet, in unser Wappen. Im Jahr 2017 änderte Samoa seine Verfassung und erklärte sich offiziell zum christlichen Staat. In jüngster Zeit wurden zahlreiche neue evangelikale Kirchen gegründet und finden regen Zulauf. Heute bekennen sich 98% aller Samoaner, unter ihnen auch viele Fa’afafine, zum Christentum, vor allem in den drei „großen“ Kirchen: Congregational Christian Church of Samoa (protestantisch), auch als Ekalesia Fa’apotopotoga Kerisiano Samoa (EFKS) bekannt, die katholische und die methodistische Kirche, die als die älteren Kirchen gelten. Die älteren Kirchen stehen den Fa’afafine tolerant gegenüber.

Gruppe von Personen in Kleidern, die in der Natur stehen
Copyright: Vlad Sokhin/laif

Seit einigen Jahrzehnten diskutieren die EFKS-Kirche und die Methodisten darüber, ob Fa’afafine zum Predigtdienst zugelassen werden sollen, wobei sie schon seit vielen Jahren in Dörfern und Gemeinden in der Sonntagsschule unterrichten. Während die einzelnen Kirchen diesen Konflikt auf eigene Faust gelöst haben, gilt das nicht für Fa’afafine in den neueren Kirchen. Besonders online engagieren evangelikale Pastoren und ihre Gefolgschaft sich in Desinformationskampagnen gegen Fa’afafine und Schwule gleichermaßen. Viele fordern ganz offen, dass Fa’afafine aus dem samoanischen Leben entfernt werden, und sprechen ihnen eine „natürliche“ oder „normalisierte“ Rolle in den Familien und in der Gesellschaft Samoas ab.

In jüngster Zeit macht sich das auch in der Öffentlichkeit bemerkbar. Ich werde nie den Tag vergessen, als der Samoa Observer, eine landesweit verbreitete Tageszeitung, auf der Titelseite ein Foto vom Leichnam der verstorbenen Jeanine, einer Fa’afafine, die sich das Leben genommen hatte, veröffentlichte und dem ganzen Land ihren Namen preisgab. Der darauffolgende Mediensturm machte deutlich, dass viele Samoaner uns nicht als ihre Landsleute ansehen. Ich habe von zahlreichen Fällen gehört, in denen Fa’afafine von ihren Familien misshandelt, einer Konversionstherapie ausgesetzt oder aus dem Haus geworfen wurden, weil sie feminine Züge aufweisen.

Ich habe Glück gehabt. Ich bin eine von vielen Fa’afafine in meiner Familie. In ihrer Jugend hatte meine Mutter bei uns zuhause immer Kontakt mit Fa’afafine. Sie waren ihre Freundinnen, mit ihnen, ihrer Wahlfamilie, konnte sie offen sprechen. Weil meine Mutter so großzügig war und Fa’afafine bei sich aufnahm, die nach ihrer Auswanderung ohne familiäre Bindungen in Neuseeland lebten, habe ich Kontakt zu vielen älteren Fa’afafine. Und so kümmerten sie sich um mich, als ich heranwuchs und als Fa’afafine in die Welt trat.

Während Wissenschaftler*innen lesen, Fragen stellen und den größeren sozialen Kontext problematisieren, in dem wir leben, standhalten und uns durchsetzen, geht es um den Alltag, in dem wir leben, überleben, für uns sorgen und uns entwickeln können.

Vasey stellte scharfsinnig fest, dass die Fa’afafine in Samoa und in den samoanischen Haushalten in der ganzen Welt eine Schlüsselrolle spielen. Wir helfen bei der Kindererziehung, bei der Zubereitung der Speisen, beim Unkrautjäten unter der sengenden Sonne Samoas, wir verkaufen Waren und vom Familienbetrieb angebaute Produkte, um unsere Familien finanziell zu unterstützen, und wir gehören zu den besten Schülern. Meine Fa’afafine Cousine und ich konkurrierten inoffiziell um die höchsten Auszeichnungen, die jedes Jahr in unserer Schule vergeben wurden, und machten unsere Familie damit sehr stolz.

Besonders erfolgreich sind Fa’afafine, wenn es um Förderung, Ausübung und Erhalt der kulturellen Gebräuche Samoas geht.

Dazu gehört auch die herausragende Rolle von Fa’afafine bei der schönen Pracht – sehr wichtig für ein Land, dessen Sitten und Traditionen auf rituellen Handlungen und großen Zeremonien in allen Aspekten des Soziallebens beruhen. Und während Frauen in der Tradition Samoas als heilig gelten – sieht man von der grassierenden sexuellen Gewalt einmal ab –, weil sie die nächste Generation zur Welt bringen und mit ihren Händen unseren kulturellen Reichtum wie feine Matten und Tapa-Stoff schaffen, sind es häufig Fa’afafine, die hinter unseren Frauen stehen, als Make-up Artists, Friseurinnen, Kostümbildnerinnen, Benimmtrainerinnen, Creative Directors, Performance Coaches, Choreografinnen, Redenschreiberinnen und als solche, die Menschen zusammenbringen. Meiner Ansicht nach liegt das an der unglaublichen Kreativität von Fa’afafine und daran, dass wir, weder männlich noch weiblich, als perfekte Assistentinnen für Frauen gelten: Wir sind keine Bedrohung für das feagaiga, das vereinbarte/besondere Band zwischen Bruder und Schwester, nicht, weil wir die Unantastbarkeit von Frauen nicht verletzen, wenn wir ihnen helfen, sich zu kleiden und sich zu schmücken.

Während erst seit kurzem Frauen mit unterschiedlichem Körperbau und Alter beim Wettbewerb zur Miss Universum antreten dürfen, gab es bei Miss Samoa niemals Einschränkungen hinsichtlich des Körperbaus – es sei denn, sie ist Fa’afafine, denn dann wird sie nicht als Frau angesehen und kann nur beim Wettbewerb der Miss Samoa Fa’afafine Association antreten.

Schönheitswettbewerbe in Samoa sind einfach gigantisch. Ich erkläre mir ihr Fortbestehen mit dem einzigartigen Wettbewerb um den Titel der Miss Samoa, ein großes Festival, bei dem es darum geht, wie gut die Teilnehmerinnen die Gebräuche und Zeremonien Samos beherrschen, etwa Rhetorik, samoanischer Tanz und der kreative Gebrauch unserer Natur, um daraus Schmuckelemente zu schaffen, die unsere Kultur repräsentieren. Während erst seit kurzem Frauen mit unterschiedlichem Körperbau und Alter beim Wettbewerb zur Miss Universum antreten dürfen, gab es bei Miss Samoa niemals Einschränkungen hinsichtlich des Körperbaus – es sei denn, sie ist Fa’afafine, denn dann wird sie nicht als Frau angesehen und kann nur beim Wettbewerb der Miss Samoa Fa’afafine Association antreten.

Der Titel der Miss Samoa ist eine unglaubliche Ehre und macht die Siegerin für ein Jahr zu einer samoanischen Prinzessin und für das ganze Leben zu einer hochgestellten Persönlichkeit. Durch die Unterstützung, die Fa’afafine so vielen jungen Frauen beim Erringen der Siegerkrone geben, leisten sie schon seit langem einen wesentlichen Beitrag. Tatsächlich sind Fa’afafine die derzeitigen Eignerinnen und Leiterinnen der Miss Samoa Franchise, und Fa’afafine leiten auch die Tanzschulen, die die nächste Generation der Bewerberinnen ausbilden.

Diese Praxis beschränkt sich nicht auf Samoas Perlenstrände. Mit den Samoanern sind auch Fa’afafine in die Welt gezogen. In Neuseeland, wo ich wohne, führen viele Fa’afafine beliebte Tanzgruppen – auch das ein wichtiges Element unseres kulturellen Erbes –, und diese Tanzschulen unterrichten junge Leute aus Samoa, die fern unserer Heimatinseln aufwachsen, in Tanz und Kultur Samoas.

Während meine Fa’afafine Schwestern bis heute einen enormen Beitrag für unser Land, unsere Familien, Kultur und Gesellschaft leisten, ruft ihr Dasein als Fa’afafine abschätzige Bewertungen, Formen der Ausgrenzungen und die Gefahr von Gewaltakten hervor.

Die Realität der Fa’afafine ist länderübergreifend. Zahlreiche Zeitgenossinnen, Tanten und ältere Schwestern sind im Lauf der Jahre nach Neuseeland gezogen, um ihre Familien in Samoa finanziell zu unterstützen. Heute pendeln viele wie ich zwischen Samoa und der Diaspora und halten so die Verbindung mit der angestammten Heimat aufrecht.

Das beweist auch das Miss Samoa Fa’afafine Festival mit der Kandidatin auf Stelzen. Das Jahr 2023 sah drei Fa’afafine-Teilnehmerinnen aus samoanischen und pazifischen Communities in Aotearoa/Neuseeland (Auckland, Hastings and Wellington), und eine Kandidatin reiste aus Melbourne an. Am selben Abend errang Miss Annie Togia, Vertreterin von Hastings and Teine O Le Apu („The Apple Ladies“ – Hastings ist Neuseelands größter Apfelproduzent), die Krone des Miss Samoa Fa’afafine Festivals.

Anwesend waren auch Miss SOFIAS (Society of Fa’afafine in American Samoa) und Miss Island Goddess aus Seattle WA, die die samoanische und pazifische Community in Washington State repräsentierten. Die Präsidentin von SOFIAS und die Geschäftsführerin von UTOPIA Washington (queere und transpazifische Inselbewohnerinnen, die für Organisationen in Washington arbeiten) sowie der F’INE Pasifika Aotearoa Trust (Service für queere pazifische Inselbewohner*innen in Auckland, Neuseeland) vertraten mit der Samoa Fa’afafine Association die Sponsoren außerhalb Samoas, um am Krönungsabend deren Organisation und Mission zu unterstützen, nämlich Rechte und Absicherung von Fa’afafine in Samoa.

Während ich so in der überhitzten Gewichtheberhalle in der Menge saß, mein lauwarmes Bier schlürfte und dabei der Teilnehmerin Nummer Drei zusah, wie ihre Oktopusarme eine Schleppe von Glitter und Konfetti hinter sich her zogen, dachte ich darüber nach, was es wirklich bedeutet, heute eine Fa’afafine zu sein.

Für mich ist das eine Welt voller Widersprüche. Ich weiß, dass ich zu Samoa gehöre, aber genauso gut muss ich auch daran denken, dass dieses Gefühl der Zugehörigkeit viele Einschränkungen enthält. Während meine Fa’afafine Schwestern bis heute einen enormen Beitrag für unser Land, unsere Familien, Kultur und Gesellschaft leisten, ruft ihr Dasein als Fa’afafine abschätzige Bewertungen, Formen der Ausgrenzungen und die Gefahr von Gewaltakten hervor. Ich glaube, dass viele indigene und queere Menschen of colour auf der ganzen Welt diesen Widerspruch nachempfinden können.

(Aus dem Englischen übersetzt von Elisabeth Thielicke)